Trauerort Düsseldorf

Ein Ort für Menschen, die ihre Toten nicht vor Ort betrauern können

Trauerort Düsseldorf Bild 1

Einweihung – Bilder und Wünsche – Teil 1: Draußen am Trauerort

24. November 2011 von Annette Windgasse · Keine Kommentare · Allgemein, Einweihung

Gut 200 Gäste kamen zur Einweihung.

Volodymyr Kats eröffnet mit Geigenspiel.

Ahmed Gholamreza Ghaedi Bardeh führt mit der Trommel zum Trauerort.

Gerhard Gericke, Vorsitzender des PSZ eröffnet die Einweihungsfeier.

Dr. Barbara SchwahnDr. Barbara Schwahn, Vertreterin des Ev.Kirchenkreis Düsseldorf:

Ich freue mich, Ihnen die Grüße des Evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf überbringen zu können. Wir freuen uns mit allen, die sich jetzt so lange unermüdlich eingesetzt haben für diesen Ort, dass dieser nun heute seiner Bestimmung übergeben werden kann.

Wir feiern in der evangelischen Kirche heute den Ewigkeits-Sonntag, den Tag, an dem wir an die Verstorbenen des vergangenen Jahres denken und auch unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass mit deren Tod nicht alles aus ist für sie, sondern dass sie erlöst sind und bei Gott gut aufgehoben sind.

Ich denke es ist nicht von ungefähr, dass an diesem Tag heute dieser Trauerort eröffnet wird und so wünsche ich auch allen, die hierher kommen in ihrer Trauer, dass sie diese Hoffnungen für ihre Angehörigen haben können, dass ihr Glaube ihnen diese Hoffnung gibt, dass sie erlöst sind von den Unzulänglichkeiten und allem Schweren in diesem irdischen Dasein und dass sie gut aufgehoben sind bei Gott oder wo auch immer sie sie wähnen.

Ich möchte Ihnen den Psalm, den wir an diesem Sonntag lesen, mit auf den Weg geben: Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan. Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich. Herr, bringe zurück unsere Gefangenen, wie Du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten, sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Gaben.

Rafael NicodemusRafael Nikodemus, Landeskirchenrat der Ev. Kirche im Rheinland:

Zur Einweihung des Trauerortes hier überbringe ich Ihnen die besten Wünsche der Evangelischen Kirche im Rheinland, verbunden mit herzlichen Grüßen von Präses Nikolaus Schneider und der Kirchenleitung.

Wir haben von Beginn an dieses Projekt, diese Idee eines Trauerortes für Flüchtlinge, mit großer Sympathie begleitet und unterstützt, und zwar vor allem aus zwei Gründen heraus:

Einmal wissen wir bei aller Unterschiedlichkeit der Rituale, dass Menschen Orte brauchen, um ihrer Trauer einen Ort zu geben. Gerade heute am Ewigkeits-Sonntag spüren wir das alle, wenn es so viele Menschen auf die Friedhöfe zieht: Wir brauchen Orte.

Und zweitens: gerade Flüchtlinge mit ihrer Lebensgeschichte, mit ihren extremen Erfahrungen von Flucht und Verfolgung, von Traumatisierung, von psychischen Belastungen haben solche Orte nicht. Deshalb ist die Idee so vorzüglich, der Trauer auch dieser Menschen einen Ort zu geben, damit auch sie, die in ihrem wahrlich schweren Rucksack so viel mit sich herumtragen mussten und auch jetzt noch tragen, hierhin kommen können, um zur Ruhe zu kommen, um einmal loslassen zu können, sich zurückziehen zu können und vielleicht auch über das Erlebte besser reden zu können und Trost zu erfahren.

Ich danke dem Psychosozialen Zentrum und allen Mitarbeitenden und den Verantwortlichen deshalb sehr für diese Initiative. Auch den vielen, die hier mitgedacht und mitgewirkt haben, es waren ja sehr, sehr viele, wir haben es schon gehört. Und ich freue mich über diesen Ort auch, weil es wirklich gut gelungen ist, einen Ort zu schaffen, der offen ist für ganz unterschiedliche kulturelle und religiöse Zuschreibungen und der ganz individuelle Anknüpfungspunkte für jeden Menschen erlaubt.

Ich wünsche diesem Ort, dass er angenommen wird von den vielen Menschen, die hierher kommen, dass er auch zu einem Ort des Innehaltens, des zur Ruhe Kommens wird, aber auch zu einem Ort des Gespräches und zu einem Ort des Verstehens zwischen den Menschen unterschiedlicher Kulturen mit ganz unterschiedlicher Geschichte.

Alles Gute, Gottes Segen.

Schaefer_Sinti_und_Roma_VerbandMichael Schäfer vom Landesverband deutscher Sinti und Roma NRW:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Angehörige und Zugehörige des PSZ – Die Trauer um geliebte Menschen findet zuerst im Herzen statt, doch das Andenken braucht auch einen sichtbaren Ort in unserem Leben, in unserer Mitte.

Sinti und Roma wissen sehr gut, wie schmerzlich es ist, wenn man keinen Ort hat, an dem man der Angehörigen persönlich gedenken kann. Denn von den meisten Opfern des nationalsozialistischen Terrors gibt es keine Gräber. Es gab lange Zeit Versuche, das Unrecht zu verharmlosen und zu leugnen. Das ist letztlich nicht gelungen. Orte der Erinnerung und des Gedenkens helfen uns heute, zu mahnen und nicht zu vergessen.

Wir wünschen den Menschen, die diesen Trauerort aufsuchen, dass sie die Verbundenheit mit ihren Angehörigen und Familien spüren. Wir wünschen, dass der Trauerort Düsseldorf eine Stätte der Besinnung auf die Würde eines jeden Menschen wird, die nicht verloren gehen kann und die niemand zerstören kann. Wir wünschen, dass dieser Ort ein Ort des Friedens und der Hoffnung wird, damit die Menschen, die ihn aufsuchen, aus der Erinnerung und aus der Verbundenheit um ihren geliebten Angehörigen Kraft für einen Neubeginn finden.

Father Richard AidooFather Richard Aidoo von New Life Fellowship:

Ich finde, dass dieser Tag ein großartiger Tag für uns ist. Ich spreche vor allem für die Afrikaner in dieser Stadt und auch für andere Nationalitäten hier in Düsseldorf.

Was das Psychosoziale Zentrum hier in Düsseldorf für Flüchtlinge getan hat, ist so unglaublich und es hat die Herzen der meisten Menschen in unserer Kirchengemeinde berührt. Normalerweise kommen sie zu mir, um mir zu erzählen, was in ihrem Heimatland passiert ist und dass wir einen Ort brauchen, an dem wir uns versammeln können, um zusammen weinen zu können. Einen Ort, an dem wir uns zusammensetzen können, um gemeinsam zu reflektieren, was damals passiert ist. Ich möchte dem PSZ danken.

Es gibt etwas in der Afrikanischen Gemeinde, das wir kennen und das wir immer wieder miteinander teilen. Wir werden immer durch einen Bibelvers ermutigt, der da lautet: Jesus spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Das gibt uns Hoffnung, geistlich und leibhaftig und darum sind wir so dankbar für diesen Ort hier. Ich werde so vielen Leuten wie möglich davon erzählen, damit sie diesen Ort hier entdecken und alles, was zu sagen ist, ist: Danke PSZ!

Renee Aboul EllaRenée Aboul Ella von Al Dar – Zentrum für arabische Familien – Berlin

Ich  bin  Renée Aboul Ella. Ich bin Palästinenserin. Deutsche Palästinenserin. Ich lebe in Berlin seit 76 und ich bin hier als eine der Menschen, die auch keinen Trauerort haben. Ich kann auch die Gräber meiner Eltern nicht besuchen.

Auf Arabisch wird bei einer Trauer gesagt, ich sag es auf Arabisch und übersetze das dann: „Lasst das Eure letzte Traurigkeit sein.“ Dass man den Menschen Hoffnung und Fröhlichkeit wünscht, wenn sie tief in Trauer sind.

Mit der Idee von diesem Ort bin ich von Anfang an vertraut, da Frau Windgasse und ich in einem bundesweiten Arbeitskreis zusammen sind und wir haben die Idee von Anfang an mitverfolgt, es wurde fast unsere. Jedes Mal haben wir gesagt: “Wie weit? Wie ist es?“ und deshalb freue ich mich noch mehr, dass ich auch hier bei der Einweihung sein darf. Ich freue mich sehr und ich hoffe, dass viele Menschen den Ort hier aufsuchen werden und ihre gewünschte Ruhe auch finden werden. Vielen Dank.

Merima CobanMerima Coban aus Bosnien-Herzegowina:

Sicher gibt es hier auch Leute aus meinem Land oder aus Kroatien oder Serbien, deswegen sage ich erst ein paar Worte auf Bosnisch: … Und jetzt sage ich es auf Deutsch. Ich komme aus Bosnien, seit 94 lebe ich hier, also das heißt irgendwo in der Mitte vom Krieg.

Ich weiß aus Erfahrung, dass meine Gedanken über den Krieg kollektiv geworden sind. Meine Erfahrungen, Erfahrungen von meiner Familie und von den Frauen, denen ich unbedingt helfen wollte und es nicht konnte.

Ich glaube, jeder sucht einen Ort. Einige finden ihn durch Glauben in sich selbst, andere sind leider nicht so stark und brauchen so einen Ort, um dort vielleicht um die Angehörigen, die sie verloren haben, trauern zu können oder über sich selbst. Davon gibt es leider in Bosnien sehr viele. Besonders Frauen, die sich selbst verloren haben.

Ich weiss, dass ohne einen Ort, an dem sie das hinter sich lassen können oder ohne eventuell eine gute Therapie zu bekommen, eine Heilung nicht möglich ist. Man sagt, Zeit heilt alles. Aber ich kann Ihnen sagen, dass Zeit das nicht heilt. Es ist etwas Unheilbares, mit dem man zu leben lernen muss, aber eine Heilung ist leider nicht möglich. Wahrscheinlich wird man den Frieden dann endlich im Tod finden und ich hoffe, das ein paar noch vor dem Tod etwas finden und dass sie ein positives Lebensgefühl auf die eigenen Kinder übertragen können. Dass diese nicht in Verbitterung weiterleben, denn man gibt dies an die Angehörigen weiter.

Und dass es eben nicht genug ist. Dass noch immer einige Gräber nicht gefunden wurden. Und wie in jeder Epoche melden sich die Stimmen von Leugnern und das tut noch viel mehr weh. Man hat 4 oder 5 Söhne gefunden, aber es fehlen noch Vater, Brüder und der Mann und dann wird gesagt, es gab überhaupt kein Massaker. Die Menschen seien nicht auf diese Art und Weise gestorben. Und das ist leider etwas, das es in Bosnien gibt. Sechzehn Jahre nach dem Krieg sagt man, es ist alles vorbei, aber es gibt mehr und mehr Selbstmorde.

Ich wünsche Ihnen so viel Trauer nicht, einen starken Glauben und dass viele so einen Ort in Bosnien auch finden. Ich werde versuchen, einigen von so einem Ort zu erzählen. Danke schön.

Teilnehmende: Ewgeni Fink, Dipl.Psychologe früherer Praktikant im PSZ, jetzt Mitarbeiter einer Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Margaryta Kats, Assitentin für den psychologisch-psychotherapeutischen Bereich im PSZ. Tsigerede Habtu, Fachkraft in den ‚Hilfen zur interkulturellen Erziehung‘ und Sprach- und Kulturmittlerin im PSZ.

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