Zuwanderer finden ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland, aber es bleibt für viele ein Wunsch, in ihrem Herkunftsland begraben zu werden. Aus der eigenen Biographie bzw. von Menschen um uns herum wissen mehrere von uns: Wenn Verwandte und Freunde in der Heimat sterben, ist es oft unmöglich, an der Beisetzung teilzunehmen. Es gibt so für viele Migranten keinen Platz, zu dem sie in ihrer Trauer hingehen und sich dort ihren Verstorbenen nahe fühlen können. Wer sich an seinem neuen Aufenthaltsort wirklich heimisch fühlen will, benötigt Räume, in denen auch persönliche Trauerprozesse einen Platz haben.
In der aktuellen Integrationsdebatte wird vielfach die unzureichende Bindung von Migranten an Deutschland und ihre starke Orientierung an das Herkunftsland thematisiert. Unser Vorhaben der Schaffung eines Trauerortes kann hier ein Mosaikstein zu einer echten Bindung, zu einem neuen Heimatgefühl darstellen und damit zu einer größeren Bereitschaft, sich auf diese neue Gesellschaft einzulassen. Als Betroffene wollen wir gerade dazu beitragen.
Aus eigener Erfahrung wissen wir: Migration bedeutet auch, Abschied zu nehmen und einen Neuanfang zu wagen. Hierbei spielen Trauerprozesse, das Vergangene hinter sich zu lassen und sich auf die neue Situation einzustellen, eine bedeutende Rolle. Verdrängte Trauer blockiert einen möglichen Neuanfang und kann verhindern, sich auf eine neue Lebenssituation einzulassen. Schlimmstenfalls führen diese verdrängten Prozesse zu handfesten psychischen Krisen, in denen den Betroffenen die Kraft und der Mut fehlt, sich auf die Herausforderung der Integration einzulassen. Nicht zuletzt deswegen ist unsere Idee aus der Zusammenarbeit mit sowie der Mitarbeit beim Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf (PSZ) erwachsen.
Für Flüchtlinge ist ein Trauerort, wie wir ihn planen, besonders wichtig: sie erleben noch häufiger als andere Zuwanderer den Tod ihrer Freunde und Angehörige in ihrer Heimat, wenn dort Krieg, Verfolgung und Gewalt weiter herrschen. Und sie haben meist nicht das Recht, in ihre Heimat zu fahren und das Grab ihrer Toten aufzusuchen.
Der zu schaffende Trauerort ist für Zuwanderer in der Stadt und im Regierungsbezirk Düsseldorf gedacht. Der Entstehungsprozess und der zu schaffende Ort können als Modell für andere Regionen wirken. Es ist zu erwarten, dass die Einrichtung eines solchen Ortes, der ein Novum darstellt, auch überregional Beachtung findet.
Darüber hinaus gewinnt der Themenbereich Sterben/Tod/Trauer in den letzten Jahren gesamtgesellschaftlich immer mehr Gewicht, nachdem er jahrzehntelang fast ausgeblendet war: So sind allein schon der Schaffungsprozess selbst und die Nutzung der vielfältigen Begegnungen und Auseinandersetzungen, die dabei zu erwarten sind, für uns ein wichtiges Teilziel. Durch qualifizierte Kontaktaufnahme zu Presse, Funk und Fernsehen bemühen wir uns um eine Öffentlichkeitswirkung, die unter dem Thema ‚Tod und Trauer’ einen vertieften, ernsthaften Zugang zur Situation von Zuwanderern ermöglicht, anders als das bei den üblicherweise plakativ dargestellten Medienberichten über Migranten möglich ist. Ohne das gegenseitige Verständnis der vorhandenen Schwierigkeiten und der persönlichen Verletzungen kann kein echter interkultureller oder interreligiöser Dialog gelingen. Lebensereignisse wie Trauerfälle und Verluste sind universell und für alle Menschen, kulturunabhängig, ein Bestandteil des Lebens. Über dieses Thema kann eher eine Gemeinsamkeit entdeckt und gegenseitiges tieferes Verständnis geweckt werden. So bietet sich das Vorhaben auf mehreren Ebenen beispielhaft an als eine Verknüpfungsstelle zwischen Bedürfnissen von Zuwanderern einerseits sowie der Mehrheitsgesellschaft andererseits.